40 Jahre Stammtischrunde Lobberich


"Wer die Heimat nicht ehrt, ist der Heimat nicht wert".

Liebe ehemaligen Mitbürger, genau vor 40 Jahren setzten sich nach einer lehrreichen Exkursion um die Netteseen einige Lobbericher Bürger im damaligen Strandrestaurant Ludwigs zusammen zu einem Nachplausch. Dabei versprach der Leiter der Exkursion Rektor Josef Budde sich dafür einzusetzen, dass in Lobberich ein Heimatverein gegründet würde.

Und so geschah es dann auch kurz später im Herbst 1952. Bis dahin, von 1948 bis 1952, hielt Rektor Budde auf Wunsch des damaligen Gemeindedirektor Dr. Smeets (jetzt Frankfurt) in der Berufsschule, Färberstr. (Neustr.) für interessierte Lobbericher Bürger seine heimatkundlichen Vorträge. Mit von der Partie war auch Paul Broker, derzeitiger stellvertretender Gemeindedirektor, ein guter Freund Buddes.

Das Tabakkollegium zu Besuch bei der Stammtischrunde.
In der Mitte (mit Zigarre) Josef Budde, daneben Hans Meis, Theodor Peters und Dr. Hermann Weber.

Danach traf sich ein kleines Klübchen "uralter" Lobbericher gelegentlich im Stübchen der Schankwirtschaft "Den Tuddel" (Bispels, Breyeller Str.) bei Dörchen Bispels am Stammtisch, um über Vergangenes zu diskutieren und zu schwärmen. Es war ein Kreis alter Männer, klug und weise, doch im Herzen jung und frisch, allmonatlich in feuchtem Kreise schmauchend um den Gasthaustisch".

Der Name dieser Runde wurde "Stammtischrunde", der sie bis jetzt über 40 Jahre lang begleitete.

Der damalige Gemeindedirektor, Dr. Carl Smeets, rief dann im Frühjahr 1953 diese "Stammtischrunde" als eine Arbeitsgemeinschaft der VHS ins Leben. Bewusst hielt man den monatlichen Treffpunkt der "Stammtischrunde" in der deftigen Gaststätte "Den Tuddel", die als eine der ältesten heimischen "Dröpkeswirtschaften" bekannt und schon über 300 Jahre alt war, mit dem Leiter der Runde, Link Josef Budde, bei.

Ober 20 Jahre, bis 1973/74, hat Josef Budde in faszinierender Weise den alten Lobbericher Herren und Damen der Runde, die von anfangs 10 bald auf 70 Heimatliebhaber anstieg, sein Wissen über Lobberichs Herrlichkeit dargeboten. Wenn auch der Tod manch einen der älteren hinwegnahm, immer wieder kamen neue und jüngere dazu, und so verjüngte sich der große Durchschnitt immer mehr und so blieb es bis heute.

Der Vortragsstoff war ungeheuerlich groß, den Budde katalogisiert hatte. Man arbeitete nach dem Motto:

"Altes erhalten, Neues gestalten!"

Trotz vorgerückten Alters vieler Rundenmitglieder sind alle im Herzen und in Gedanken jung geblieben und sehr zeitnah in der Förderung des Heimatgedankens. Unsere monatlichen Diskussionen führen in die uralte und jüngere geschichtliche Vergangenheit unseres Heimatbodens und seiner Menschen. Wir erleben Geschichten über die Geschichte unseres geliebten Heimatorts Lobberich, die von "Ludbruke" bis "Lobberich" immer ein interessantes Thema sind.

Alte Erinnerungen aus der Jugendzeit werden dabei wach und alte geliebte Bräuche und historische Ereignisse werden wieder ins Leben gerufen und somit der Nachwelt überliefert und gesichert.

Der zeitnahe, moderne Standpunkt unserer Runde bringt uns noch zusätzlich, viele Aufgaben der Gegenwart zu 1ösen. Unsere Runde wird von der städtischen Behörde oft in Anspruch genommen bei der Namensgebung der Straßen in neuen Stadtbaugebieten und auch ebenso bei vielen anderen Problemlösungen im Lobbericher Alltag.

Der sehnlichste Wunsch unseres Heimatvereins Lobberich wäre noch, an der schon lange Jahrzehnte geplanten Idee, ein Heimatmuseum einzurichten, mitwirken zu dürfen. Möge unserem Verein dies bald vergönnt sein!

Ganz groß geschrieben steht vor allem die Pflege der plattdeutschen Lobbericher Mundart, die aus dem Geist der Zeit und aus dem Leben von Mensch zu Mensch gewachsen ist.

In zwei großen Mundartnachmittagen zeigten einige Mitglieder unserer Runde der Öffentlichkeit, wie man dieses "Lobbericker Plott" sprach und noch spricht, "su-e, wie dö Schnabel jewosse ess"!

Sogar die Kinder der Katholischen Grundschule mit ihrer Lehrerin Frau Reinold versuchten in kindlicher Art sich in plattdeutschen Reimen, Liedern und Volkstänzen mit uns von der Runde zu messen, was wirklich im Eifer "Kopf an Kopf" ging.

Aber auch viele Interessierte von Behörden und Organisationen und anderen befreundeten Vereinen nahmen gelegentlich an unseren Versammlungen teil. Da war zum Beispiel Prof. Ernst Klusen (Viersen), ein großer Kenner des alten Volksliedes, des karnevalistischen Brauchtums und anderer alter Sitten und Bräuche. Er nahm bei der "Stammtischrunde" Fischer- und Karnevalslieder gesungen auf Platten auf.

Frau Prof. Dr. Helma Siemes aus Viersen besuchte den Verein und diskutierte im Vortrag über alte Kinderlieder und -reime mit den anwesenden Mitgliedern.

Da tauchen im Laufe der Jahre die Namen alter Lobbericher auf, die neben Rundenleiter Budde aus ihrem großen Wissen und Erfahrungsschatz intensiv berichten konnten, wie:

Dr. Albert Fenkes, Dr. Hanna Meuter, Arnold Frank, Paul Olders, Willi Schmitz, Johannes Fritz, Mine Kessels, Johann Stroucken u.v.a.m.

Viele 100 Studien- und Besichtigungsfahrten, auch bis weit hinein ins benachbarte Ausland, mit qualifizierter Führung, zeigten den Mitgliedern des Heimatvereins die in den Runden erarbeitete Theorie alter gemeinsamer Geschichte in der Tat.

Aber nicht nur der theoretische Rückblick auf alte Bräuche und Sitten sind die Aufgabe des Vereins. Wir vom Verein verstehen auch diese alten Brauchtumsfeste wieder praktisch zu realisieren. Wir feiern z.B. in würdiger, geschichtlicher Tradition das Fest des HI. Martin und da das Fest des "Zent Märte" bekanntlich auch mit Schmaus begangen wird und wurde, findet bei uns statt "Martinsgansessen" ein Essen mit einer "kalten Platte" statt. Natürlich stehen die alten St. Martinslieder bei uns noch hoch in Kurs: "Zent Märte ess nou all werr he-i, loop Kenger loop..."

In einer vorweihnachtlichen Feier gedenken wir des Kommens von "Zenter Kloas". Noch vor wenigen Jahren kehrte er mit seinem "goldenen Buch" und seinem Knecht Ruprecht bei der Runde ein, um zu loben und zu tadeln. Aber das vorgerückte Alter des "Zenter Kloas" zwang ihn, kürzer zu treten, und nur noch zu den Kindern zu gehen! - Wir lassen aber in der Vorweilmachtszeit viele alte Sitten und Bräuche um Barbara, Zenter Kloas, Luzia und "vule Tommes" wieder aufleben. Wir vergessen auch das große Schlachtfest mit dem,,Tü-utkäetelschore", mit "Laeverwürschkes on Blootwürschkes, on enne Sti-ek Vätt vörr döm Tu-üt do broane" nicht!

Der Karneval ist bei uns im Verein der Höhepunkt am Anfang des Jahres. Wir Alten wissen noch um die Sitten und Bräuche von "Vasteloavend" mit seinen "Geloagen" und "Vuh jagen".

"Wenn öt Vasteloavend ess, donn jaare vörr die Vuh!... " In lustiger Aufmachung erscheinen wir zum "Büttenabend" der Runde, der einen geschichtlich historischen Einführungssteil hat und als zweiter Teil den urwüchsigen Karneval. Die Talente für die "Bütt" mit närrischen Vorträgen sind bei uns nicht rar. So manche Posse der Vergangenheit oder Gegenwart wird da in Worte umgesetzt.

Zu alledem gehört aber auch ein großes Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl, das der Runde voll und ganz anheim ist.

Der Höhepunkt des Jahres ist die berühmte Mehrtagesfahrt, auch Studienfahrt genannt. Seit Jahren versuche ich mit diesen Fahrten den Gesichtskreis unserer Runde weit über die heimatlichen Gefilde hinaus zu erweitern. In mühevoller Arbeit bin ich derzeitig dabei, das vorliegende geschichtliche Material zu sichten, zu ordnen, zu überarbeiten und zu sammeln, so dass auch die kommenden Generationen über unsere Heimatgeschichte Lobberich und Umgebung und auch über das Leben unserer Vorfahren informiert werden können. Leider besinnt man sich der Werte seiner Heimat erst im vorgerückten Alter.

Im Laufe von vier Jahrzehnten Heimat-Arbeit miteinander wurden mehrere Stationen festlicher Rückblicke gehalten, sei es das 10., das 20. oder das 25. Jubiläum, das noch vielen unserer derzeitigen Mitglieder in guter Erinnerung ist.

Von den 40 Jahren des Bestehens der Runde leitete über 20 Jahre der leider am 29. Juni 1975 verstorbene Rektor i. R. Josef Budde, Heimatforscher und Geschichtsforscher, den Heimatverein in vortrefflicher Art. Er verstand es durch seine mitreißenden und fundierten Vorträge über unsere Lobbericher Heimat und Umgebung den Mitgliedern unvergessliche Stunden der Erinnerung zu schenken.

Der Heimatverein wird seinen Gründer und ehemaligen Leiter in allerbester Erinnerung behalten.

Ab 1974 leitete Herr Hans Meis, ein "Voll-Lobbericher" und echtes "Heidekind" (Breyeller Straße), die Stammtischrunde. Er war hier geboren, in einer "alten" Lobbericher Familie, und wusste immer Lobberich zu leben und zu erleben. Durch seine Position bei der Gemeinde- und Stadtverwaltung und als ehemaliger stellvertretender Gemeinde- und Stadtdirektor wurde er tagtäglich mit der Gegenwart "Lobbericher Geschichte" und Lobbericher alter Geschichte konfrontiert.

Der Verein verdankt ihm sehr, sehr vieles. Wegen seines fortgeschrittenen Alters stellte er im Mai 1987 seinen Posten als Rundenleiter zur Verfügung und als neue Nachfolgerin wählte man mich. (gemeint: die Autorin Alice Böttcher) Als "waschechtes" Lobbericher- und Flothender Kind, das noch bestens unser schönes "Lobbericker Plott" zu sprechen versteht, bin ich mit viel Mut und Begeisterung in die Fußstapfen meiner beiden ,großen Vorgänger" getreten. Seit 1979 hatte ich bereits das Amt des Geschäftsführers und der Organisatorin der kleinen und großen Feste und der Besichtigungs- und großen Studienfahrten inne. Für meine bisherige Arbeit für und mit dem Verein und der Bürgerschaft wurde mir am 20. Dezember 1991 von der Stadt Nettetal die Auszeichnung "Der Nettetaler" verliehen. Ganz besonders aber soll sich die Runde mit mir für diese Ehrung beglückwünscht sehen.

Meine Nachfolgerin als Geschäftsführerin ist Lore Geerkens, im Loewinkel 1 (bei Ditges-Häuser!), die sich als Ostpreußin in ihrer neuen Heimat Lobberich gut eingelebt hat. Mit ihrem Ehemann "eine Lobbericker Jong", Willi Geerkens (Hoverkamp) fühlt sie sich hier sehr wohl.

Nun will der Verein am 40. Gründungstag in Ehre und Liebe an die vielen Arbeitsstunden miteinander in der Stammtischrunde, im Rückblick auf die Vergangenheit und für die Zukunft unseres geliebten Lobberichs, in kleinem Rahmen eine Feierstunde abhalten in unserem jetzigen Vereinslokal "Hotel Stadt Lobberich" (Bellenberg-Dammer), älteste erhaltene Gaststätte Lobberichs. Diese Feierstunde wird Anfang März 1993 sein.

Ebenso wollen wir im selben Monat anläßlich unseres 40. Jubiläums für die Öffentlichkeit in Geschichten, Liedern und Gedichten in "Lobberikker Plott" in einem Mundart-Nachmittag ein paar besinnlich frohe Stunden gestalten, wozu selbstverständlich auch alle unsere ehemaligen "ausgewanderten" Lobbericher herzlich willkommen sind. Es wäre schön, "alte Ehemalige" m sehen!

Diese Veranstaltung mit Rückblick in die ältere und jüngere Vergangenheit soll der jetzigen Generation ein Ansporn sein zur Heimatliebe, Heimatpflege und Heimatsprache.

Die Stammtischrunde verspricht und will auch weiterhin versuchen, ihr Werk nach besten Kräften in Liebe zur Heimat Lobberich fortzusetzen.

Das ist sie ihrem Wahlspruch schuldig!

,,Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt,
der froh von ihren Taten, ihrer Größe den Hörer unterhält
und still sich freuend ans Ende dieser schönen Reihe sich geschlossen sieht".

(Goethe)

Und nun noch: "En jlöckselich Kressmösfest", on "Pross Nüjoar" allen ehemaligen Lobberichern, vielleicht auf ein baldiges Wiedersehen in der Heimat!

Euer Heimatverein "Die Stammtischrunde"

i.A. Eure "alte Lobbericherin" Alice Böttcher-Schriefers, Link Flothend 5 ("An öt Brook")


Josef Budde

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